Artikel Deutschsprachiger Kundenservice aus dem nahen Ausland
von Uwe Kons
Nearshore Enabling
Der Weg zu einer erfolgreichen Nearshore Lösung. Profitieren Sie von unserer Erfahrung, Methode und Netzwerk.
Wie so häufig bei Trends, kam auch dieser von denen, deren Grenzen mehrheitlich aus Küste bestehen. Klar also, dass die inländische Produktion als Onshore und die Produktion im Ausland als Offshore zu bezeichnen war. Offshoring wiederum unterteilt sich in Farshoring und Nearshoring. Korrekt also ist entweder im Inland oder im Ausland und, wenn im Ausland, dann im nahen oder fernen Ausland. Eine wirklich trennscharfe Differenzierung lässt sich dabei sicher nicht formulieren und hängt maßgeblich vom Herkunftsland des Betrachters, dem gewählten Produktionsstandort, sonstigen wirtschaftlichen Beziehungen und der miteinander verbindenden Infrastruktur ab.
Interessant auch, dass in den von Deutschen gewählten Nearshore-Ländern der Begriff Nearshore häufig nicht nur nicht verwendet wird, sondern in der Form nicht bekannt ist. Noch nicht – auch von Deutschland präferierte Nearshore-Länder im östlichen Europa suchen zunehmend den noch existierenden Kostenvorteil in weiter östlich gelegenen Nachbarländern.
Auch in Erinnerung sind die zahlreichen Versuche aus Südafrika Deutschsprachigen Service anzubieten, wobei hier es hier häufig ein Import der Deutschen Sprache war und viele Backbacker die Gelegenheit nutzten, die Auslandserfahrung mit einer Arbeit im Customer Service zu kombinieren. Nicht zu vergessen, die Kolonialherrschaft in dem damals als Deutsch-Südwestafrika bezeichneten Namibia. Wenn auch das Handeln der Deutschen in dieser Zeit mehr als verurteilenswert ist, so hat es nachhaltig Spuren hinterlassen.
In Namibia sprechen noch heute über 20.000 Namibianer Deutsch – in Teilen auf muttersprachlichem Niveau. Geprägt auch, durch die Zeit des Kalten Krieges, in der auf Schloss Bellin in Mecklenburg bis zum Mauerfall namibianische Kinder als Pioniere für die nicht stattgefundene Revolution in Namibia ausgebildet wurden, die dann später in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.
Klar aber auch, dass heute mehrheitlich die Option im Nearshore genutzt wird.
Ein Modell, das sich zunehmender Beliebtheit erfreut ist die Beschäftigung von muttersprachlichen Aussiedlern auf dem spanischen Festland und auch Inseln. Aussiedler, die mit der Idee des sorgenfreien Lebens in ganzjähriger Wärme und mit geplanter Selbständigkeit heute zu Hunderten ihr Auskommen in Customer Service Centern finden.
Erwähnenswert ist sicherlich die besondere Situation in der Türkei. Ohne Sie namentlich zu nennen, erscheint nicht nur bei Anrufen bei manch großem Telekommunikationsanbieter der Eindruck aus der Türkei bedient zu werden. Die Rückfrage bei einer Agentin bestätigte dies und der Grund für die zahlreichen in der Türkei lebenden Deutschsprechenden liegt auf der Hand. Auch das gute Niveau der deutschen Sprache mag nicht verwundern, handelt es sich doch in Teilen um Muttersprachler die aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in das Heimatland der Eltern und Großeltern zurückgekehrt sind.
Zu beobachten ist auch ein Trend, der Nearshore-Kapazitäten in Ländern, wie Bosnien, dem Kosovo oder Bosnien und Herzegowina suchen lässt. Auch hier ist es ein Stück Grausamkeit unser aller Geschichte, das Spuren hinterlassen hat. Wegen der sogenannten Jugoslawienkriege mit Beginn in 1991 waren Millionen von Menschen auf der Flucht. Die in Deutschland zwischen 1991 und 1995 aufgenommenen circa 350.000 Flüchtlinge sind mehrheitlich wieder in ihre Heimat zurückgekehrt (lt. Europäisches Forum für Migrationsstudien). Darunter Kinder und Jugendliche, die mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind, in Deutschland Kindergarten und Schule besucht haben oder auch in Deutschland studiert haben.
Und selbstverständlich und noch immer am stärksten vertreten sind die Nearshore-Kapazitäten in all den Ländern, in denen aus historischen Gründen deutschsprachigen Minderheiten anzutreffen sind. Hierzu gehören nicht nur, aber auch Rumänien, Ungarn, die Slowakische Republik und Polen. In den letztgenannten kommt hinzu, dass die deutsche Sprache mit sehr hohem Anteil beliebte Fremdsprache an Schulen ist.
Bereits nach der Jahrtausendwende konnte ich selbst durchgängig positive Erfahrungen mit Standorten in Zgorzelec, Polen und Istanbul, Türkei sammeln. Die Umsetzung in Namibia scheiterte ausschließlich am Quality of Service der Netzwerkverbindungen jener Zeit. War dies damals noch die häufig belächelte Wegbereitung der Pioniere, so müssen all die Spötter heute zugeben, dass ohne die Kapazitäten im Nearshore der Customer Service in der deutschen Sprache kollabieren würde.
Mit Zweitsprachlern bezeichnen wir die, die im Sprachgebiet lebend regelmäßig bis alltäglich die Sprache verwenden, es sich aber nicht um die Muttersprache handelt. Dem hingegen erlernt der Fremdsprachler schulisch die Sprache und lebt im Regelfall nicht im Sprachgebiet.
Dies zeigt, dass, obgleich dieselbe Sprache, diese sich in Aussprache und Verwendung des umgangssprachlichen Vokabulars unterscheiden muss. Mehr noch kann das Erlernen einer Sprache ohne den kulturellen Kontext dazu führen, dass Fremdsprachler zwar wunderbar erzählen können, was ihren eigenen Gedanken entspringt, aber nicht verstehen, was ein Muttersprachler sagen will. Dies mag daran liegen, dass Worte grundsätzlich oder in ihrer Verwendung nicht bekannt sind oder nicht in einen spezifischen Kontext eingeordnet werden können. Im Speziellen bei Verwendung der von Deutschen gern gewählten bildhaften Sprache, wird es für Fremdsprachler in Teilen unmöglich zu verstehen. Woher zum Beispiel soll ein Fremdsprachler wissen, dass Deutsche mit einem „Bulli“ einen Kleintransporter meinen und was genau es auf sich hat, wenn der Deutsche „am Rad dreht“.
Ein Aspekt, der Nearshore zur qualitätssteigernden Option werden lässt, ist die Tatsache, dass ein Arbeitsplatz im Customer Service in den bevorzugten Nearshore-Ländern höhere Akzeptanz genießt als in Deutschland. Es sind, mindestens mit der Anforderung der deutschen Sprache, in den Ländern unserer Osteuropäischen Nachbarn gut bezahlte Arbeitsplätze. So darf es nicht verwundern, dass wir ein hohes bis sehr hohes Ausbildungsniveau finden und nicht selten mehrheitlich Akademiker in den Service Centern arbeiten.
Das vorzufindende Sprachniveau der verfügbaren Ressourcen in den beliebten Nearshore-Ländern sinkt dadurch kontinuierlich und spätestens jetzt sind Qualifizierungskonzepte gefragt, die gleichbleibende Qualität sicherstellen – besser noch messbar steigern.
Als geeignetes Paket von Maßnahmen hat sich an unterschiedlichen Standorten in Polen eine Kombination im Bereich der Sprache, Akzent Naturalisation und Interkultureller Kompetenz herausgestellt.
Der zweite Bereich, in dem die Interkulturelle Kompetenz trainiert sein will, betrifft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Telefon im Partnerland. Kultur und Historie bestimmen nachweislich das Kommunikationsverhalten. Die häufig anzufindenden – in ihrer Form meist ähnlichen – Kommunikationstrainings sind methodisch und inhaltlich für Nearshore Standorte nicht ausreichend, da sie den Unterschied im Kommunikationsverhalten zwischen Deutschland und Polen nicht berücksichtigen. Deutsche haben die Tendenz dominant auf der Sachebene, Polinnen und Polen auf der Beziehungsebene zu kommunizieren. Dies muss verstanden werden und mit Maßnahmen besetzt werden, da sonst nie ein zufriedenstellendes Kommunikationsniveau erreicht wird, sich in Teilen sogar ausschließt.
Verschiedene Formen der persönlichen Anrede in Abhängigkeit von der Beziehungsintensität, sozialen Stellung und Rangordnung müssen berücksichtigt werden. Dies im Kontext der internen Unternehmenskommunikation und auch am Telefon.
Der Umgang mit dem „Nein“ zum Beispiel wird in Polen anders gehandhabt.
Eine Absage oder ein „Nein“ wird in Polen nicht direkt ausgesprochen. Es wird verpackt oder zwischen den Zeilen formuliert. Ein „Nein“ ist in Polen eher ein „Ja, aber..“ oder ein „vielleicht“. Ein „Nein“ oder eine direkte Absage ist nach polnischem Verständnis unhöflich. Dies steht einer prägnanten Formulierung im Customer Service entgegen. Auch wird der Umgang mit Kritik und Beschwerde in Polen anders gehandhabt. Polinnen und Polen gehen eher nicht sachlich mit Konflikten um, sie sind emotional. Diese Unterschiede zu verstehen und handhabbar zu machen erleichtert den Fremdsprachlern den Umgang mit deutschen Kunden und stellt höchstes Kommunikationsniveau sicher.
Nearshore – Deutschsprachiger Kundenservice aus dem nahen Ausland
Nearshore – Deutschsprachiger Kundenservice aus dem nahen Ausland, ein Artikel von Uwe Kons.
Bereits nach der Jahrtausendwende hat Uwe Kons als CEO von twenty4help Knowledge Service AG die Strategie des Offshore und Nearshore konsequent verfolgt.
Bei der Umsetzung von Offshore-Lösungen suchte er Kooperationspartner in Indien, Südafrika und Namibia, für die Nearshore-Lösungen wurden Standorte in Zgorzelec, Polen und Istanbul, Türkei aufgebaut. Die Standorte in Polen und der Türkei haben erfolgreich deutschsprachigen Support für namhafte Deutsche Internetprovider erbracht und jeder war eine ganz besondere Erfolgsstory.
Damals der Zeit ein Stück voraus, wird das Thema Nearshore im Kontext spezifischer Arbeitsmarktveränderungen in Deutschland attraktiver denn je.
kons-ulting ist heute spezialisiert auf den Nearshore-Standort Polen und nutzt dazu ein hochwertiges Netzwerk von namhaften Dienstleistern und Beratern in Polen.
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