kons-ulting – Blog : NEARSHORE Teil III. Maßnahmen zur Qualitätssteigerung

Was ist Nearshore und welches sind die Anforderungen an das Spachniveau im Nearshore? Darauf haben wir in Teil I. und II. unserer Blog-Reihe zum Thema Nearshore geantwortet. In Teil III. beschreiben wir geeignete Maßnahmen zur Qualitätssteigerung.

Nachdem wir in Teil I. und Teil II. mögliche Standorte, Sprachniveau und Anforderungen beschrieben haben, gehen wir in Teil III. auf  Maßnahmen zur Qualitätssteigerung ein. Unsere Erfahrung zeigt, dass spezielle Trainings im Bereich der Sprache, Akzent Naturalisation und Interkultureller Kompetenz eine ideale Kombination sind.

Interkulturelle Kompetenz

Im Bereich der Interkulturellen Kompetenz ist der Bedarf an Trainings in zwei Bereichen anzutreffen. Ist im Rahmen der Servicestrategie eine Entscheidung für Nearshore gefallen, dann muss verantwortliches und betroffenes Management auf die Unterscheide im Geschäftsleben des Partnerlandes vorbereitet sein. Man mag die Eindeutigkeit meiner Aussage verzeihen, aber mehrheitlich ist Interkulturelle Kompetenz nicht die Stärke der Deutschen. Zu häufig findet man den vielberedeten Elefanten im Porzellanladen, der nicht akzeptiert, dass er im Partnerland Gast ist – nicht versteht, dass es Unterschiede im Geschäftsleben, im Arbeits- und Führungsstil und der Mitarbeitermotivation gibt. Kommunikation über unterschiedlichste Ebenen erfolgt plötzlich zwischen dem Partnerland und Deutschen, in einer für mindestens eine Seite Fremdsprache, sofern in englischer Sprache kommuniziert wird gar für beide Seiten. Führungskräfte müssen auf das Partnerland vorbereitet werden. Die „noGoes“ müssen bekannt sein und Regeln des Miteinanders müssen definiert sein. Wohlgemerkt: Als Deutsche sind wir im Partnerland Gast.

Der zweite Bereich, in dem die Interkulturelle Kompetenz trainiert sein will, betrifft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Telefon im Partnerland. Kultur und Historie bestimmen nachweislich das Kommunikationsverhalten. Die häufig anzufindenden – in ihrer Form meist ähnlichen – Kommunikationstrainings sind methodisch und inhaltlich für Nearshore Standorte nicht ausreichend, da sie den Unterschied im Kommunikationsverhalten zwischen Deutschland und Polen nicht berücksichtigen. Deutsche haben die Tendenz dominant auf der Sachebene, Polinnen und Polen auf der Beziehungsebene zu kommunizieren. Dies muss verstanden werden und mit Maßnahmen besetzt werden, da sonst nie ein zufriedenstellendes Kommunikationsniveau erreicht wird, sich in Teilen sogar ausschließt.

Verschiedene Formen der persönlichen Anrede in Abhängigkeit von der Beziehungsintensität, sozialen Stellung und Rangordnung müssen berücksichtigt werden. Dies im Kontext der internen Unternehmenskommunikation und auch am Telefon.

Der Umgang mit dem „Nein“ zum Beispiel wird in Polen anders gehandhabt.
Eine Absage oder ein „Nein“ wird in Polen nicht direkt ausgesprochen. Es wird verpackt oder zwischen den Zeilen formuliert. Ein „Nein“ ist in Polen eher ein „Ja, aber..“ oder ein „vielleicht“. Ein „Nein“ oder eine direkte Absage ist nach polnischem Verständnis unhöflich. Dies steht einer prägnanten Formulierung im Customer Service entgegen. Auch wird der Umgang mit Kritik und Beschwerde in Polen anders gehandhabt. Polinnen und Polen gehen eher nicht sachlich mit Konflikten um, sie sind emotional. Diese Unterschiede zu verstehen und handhabbar zu machen erleichtert den Fremdsprachlern den Umgang mit deutschen Kunden und stellt höchstes Kommunikationsniveau sicher.

Akzent Naturalisation

Beim Lernen einer Fremdsprache wird oftmals wenig Zeit für die Beseitigung phonetischer Fehler verwendet, denn für den schriftlichen Ausdruck spielt die Aussprache keine Rolle. Bedeutend wird die Aussprache erst und vor allem bei der mündlichen Beherrschung einer Fremdsprache. Diese korrekte Aussprache kommt aber nicht „von alleine“. Lerner einer Fremdsprache haben bereits vorgeformte Hörmuster und Sprechgewohnheiten, die auf die zu erlernende Sprache übertragen werden. Nicht alles was Lernende hören, können sie sogleich nachsprechen bzw. frei aussprechen. Daraus entsteht der „fremde Akzent“ bei der Aussprache. Mit einem speziell für polnische Muttersprachler, die bereits gute bis sehr gute Deutschkenntnisse haben, konzipierten Training, lässt sich dieser Akzent nachweislich reduzieren. Die theoretische Grundlage für dieses Konzept ist eine Untersuchung über die unterschiedlichen Lautsysteme im Polnischen und im Deutschen. Im Vergleich zum Polnischen verfügt das Deutsche über wesentlich mehr Vokale. Dies bildet für polnische Muttersprachler eine Hürde, denn das Polnische hat ein ausgeprägtes Konsonantensystem. Auch, wenn die Vielfalt in Sprache und Kultur in ein Europa längst akzeptiert sein müsste, „Diversity“ als Stärke erkannt sein müsste, so weckt das Erkennen eines Akzents für viele Anrufer noch immer Vorbehalte. Akzent Naturalisation minimiert diese Vorbehalte und hilft dem Fremdsprachler die Aussprache zu verbessern.

Verbesserung der Sprach Skills

Neben standardisierten Maßnahmen im Rahmen der sechsstufigen Kompetenzskala des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen helfen in der Praxis auf die Situation adaptierte Trainings, die im Speziellen der Beseitigung von Stressoren dienen – Stressoren, die zuvor in Workshops identifiziert werden, da sie sich im jeweiligen Arbeitsumfeld unterscheiden. Dies betrifft umgangssprachliches Vokabular, regionale und altersspezifische Formulierungen und immer auch Vokabular und Formulierungen, die in den Kontext der Auftragserfüllung eingeordnet werden. Dabei gilt es die Fähigkeiten inhaltlich zu verstehen und die eigene Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache beurteilen können, zu steigern.

Nearshore qualitätsgesichert

Dass Offshore Trend und wirtschaftliche Notwendigkeit wurde, liegt Jahre zurück. Auch die Erkenntnis, dass Nearshore für den deutschen Customer Service nicht nur Option, sondern Notwendigkeit geworden ist, ist nicht mehr neu. Insgesamt genug Zeit alle Fehler im Offshore und für Deutschland im Nearshore gemacht zu haben. Es sollte unterstellt werden können, dass längst ausreichend Maßnahmen ergriffen sind, Nearshore langfristig erfolgreich zu machen und erkannt wurde, dass langfristigem Erfolg eine Investitionsphase vorausgeht. Die Praxis zeigt hierfür gute Beispiele, aber eben auch die erfolglosen Versuche, für die Schuld im Partnerland gesucht wird und eben nicht eigene Fehleinschätzung, Fehlplanung und mangelnde Bereitschaft zur Investition als Ursache erkannt und akzeptiert wird. Nearshore folgt nicht den Regeln inländischer Produktion und Dienstleistungserbringung, sondern setzt voraus das Partnerland zu verstehen, Besonderheiten zu akzeptieren und typisch deutsche Verhaltensregeln und Vorgehensweisen nicht als allein Richtige zu sehen. Nearshore ist mehr als eine Standortverlagerung oder die Auslagerung von Produktionsteilen. Nearshore ist die Herausforderung Europa und die Globalisierung zu leben. Nearshore bedeutet der respektvolle Umgang mit anderen Menschen, anderen Kulturen und die Bereitschaft voneinander zu lernen. Nearshore setzt voraus zu akzeptieren, dass es Menschen und Länder gibt, die manche Dinge einfach besser tun als wir. Nur dann ist Nearshore erfolgreich und lässt sich qualitätssichern.

Der Autor.

Uwe Kons ist geschäftsführender Gesellschafter der kons-ulting GmbH, Deutschland. Als Gründer ist Uwe Kons verantwortlich für die strategische Ausrichtung und die Erweiterung des Beratungsgeschäftes. Er legt Wert darauf, in Beratungsprojekten eine aktive Rolle zu übernehmen, um so seine umfassende Erfahrung weiterzugeben. Uwe Kons ist Betriebswirt der Fachrichtung Wirtschaftsinformatik, zertifizierter wingwave® Coach und ausgebildet in den Methoden des NLP.

1998 übernahm er die Geschäftsführung der 1&1 ServiceLine Gesellschaft für Sprachkommunikation. Nach Umfirmierung zur twenty4help Knowledge Service AG war er zunächst als COO verantwortlich für IT, Operations, Personalentwicklung und Qualitätsmanagement. Als CEO übernahm er die strategische und operative Gesamtverantwortung und hat das ehemals deutsche Unternehmen zu einem europäisch agierenden Dienstleister mit mehr als 3500 Beschäftigten und 12 Standorten über Europa verteilt entwickelt.

In 2006 gründete Uwe Kons die kons-ulting GmbH, die sich auf Personalberatung, Strategieberatung, Betriebsoptimierung und Nearshore im Customer Service spezialisiert hat.

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